Der Satz: „Meine Katze macht das aus Protest!“ ist mir schon oft begegnet. Und leider sind die Menschen, die ihn aussprechen, nur sehr schwer vom Gegenteil zu überzeugen. Dabei muss man sich eigentlich nur vor Augen halten, wie Katzen eben so ticken, um zu begreifen, dass Protest eine menschliche Erfindung ist.
Wie müsste das bei einer Katze aussehen, wenn man ihr so etwas wie ein Protestverhalten zugestehen wollte:
„Meine Menschen sind verreist. Der Catsitter kommt nur einmal am Tag. Empörend! Das passt mir nicht! Ich bin sauer deswegen. Was kann ich da machen? Gute Idee! Ich pinkel Ihnen auf ihren Wohnzimmerteppich. Wenn sie später nach Hause kommen, dann sehen sie mal, was sie davon haben!“
Mal ehrlich…. geht sowas? Bei einer Katze?
Antwort: nein! Das geht gar nicht. Katzen verstehen sehr viel, aber das gedankliche Erfassen von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ist ihnen nicht möglich. Menschen neigen oft dazu ihre eigenen verstandesorientierten Planungsmöglichkeiten auf die Tiere zu übertragen. Katzen können so nicht denken und nicht planen. Damit sind sie überfordert. Sie leben in der Gegenwart – im Jetzt.
Warum kommen viele Menschen dann auf den Gedanken, dass ihre Tiere etwas aus Protest tun würden?
Dazu eine Beispiel-Geschichte:
Mein Onkel hatte vor einigen Jahren in einer Laubenkolonie einen Garten. Und wie es nun mal so ist, gibt es dort nicht nur Friede, Freude und so weiter unter den Kleingärtnern sondern manchmal auch regelrechte Feindschaften. Ein Kumpel meines Onkels hatte so einen „Feind“ – einen Gartennachbarn mit dem er seit langem im Streit lag.
Eines Nachts wollte eben dieser Kumpel nach einem feuchtfröhlichen Abend in seinen Garten um dort zu übernachten. Ob für ihn der Weg kürzer war als zu seiner Wohnung oder ob er in seinem Zustand nur seiner Gattin aus dem Weg gehen wollte, lasse ich mal dahin gestellt. Auf seinem Weg kam er am Garten des verhassten Nachbarn vorbei… und was tut der Mann? Er klettert über den Zaun und macht dem Nachbarn einen großen Haufen vor die kunstvoll neugezimmerte Pergola!
Natürlich mit dem Ziel, dass der sich spätestens am nächsten Morgen so richtig darüber ärgern wird. So etwas tun Menschen! Die machen das!
Wieviele „Rache-Akte“ menschlicher Herkunft gibt es wohl? Die Welt ist voll mit solchen Geschichten, sowohl kleinerer wie auch größerer Art….
Wenn zwei das Gleiche tun, hat es noch lange nicht die gleiche Ursache.
Ein weiteres Beispiel, diesmal aus der Welt der Katzen:
Ein Kater wird von Frauchens Besuch geärgert. Der Mann meint, er würde mit dem Kater spielen, ist dabei leider eine Spur zu grob. Irgendwann verzieht sich der Kater und als der Besuch sich anschickt zu gehen, liegt ein Katzenhäufchen direkt auf seinen Schuhen, die er am Eingang hat stehen lassen.
Warum tut der Kater das, wenn er doch, wie bereits gesagt in der Gegenwart lebt?
Mit Sicherheit gibt es einen Zusammenhang zwischen der Situation, dass der Besuch den Kater ärgert und der anschließenden Reaktion des Katers. Nur ist es eben kein geplantes Trotzverhalten. Dass Katzen in der Gegenwart leben, heißt nun nicht, dass sie kein Gedächtnis haben. Sie sind, obwohl sie im Jetzt leben, keine Art von Alzheimer-Patienten, die sofort alles wieder vergessen.
Die Erfahrung mit einer Begebenheit, einer Person oder einem anderen Tier bleibt gespeichert, wenn diese in irgendeiner Weise bei der Katze eine emotionale Reaktion hervorgerufen hat. Und sie bleibt mit einer Wertung verbunden. „Person XY hat mich bedrängt. Diese Person ist böse.“ Mehr ist da erstmal nicht. Je nach Charakter der Katze wird dann, wenn wieder eine Konfrontation ansteht, entsprechend reagiert.
Nun setzen Katzen bei Verunsicherungen und Bedrängungen ihren Urin und manchmal auch Kot ein, um ihr Revier zu sichern. Es ist ein natürliches Verhalten, dass bei freilebenden Katzen oft beobachtet werden kann. Sie tun dies, weil ihr eigener vertrauter Geruch ihnen Sicherheit gibt.
Im o.g. Beispiel tritt für den Kater die Konfrontation erneut auf, als er an den Schuhen des Besuchers vorbei kommt. Der Geruch der Schuhe sagt ihm, dass diese mit dem Menschen, der ihn verunsichert hat, in Verbindung zu bringen sind. Die negative Erfahrung mit Frauchens Freund ist bei ihm gespeichert als eine Art emotionaler Abdruck und er reagiert nach Katzenart, in dem er eine katzengerechte Verhaltensweise zeigt: er sichert sich ab durch Abgabe eines Kothaufens um den Geruch des Menschen zu überdecken.
Hier kann er das auf für ihn sehr sichere Weise tun. Er kann sich zur Wehr setzen und riskiert keinen weiteren „Angriff“ des Menschen. Es ist ein Versuch seine eigene katerliche Position wieder gerade zu rücken ohne eine direkte Konfrontation eingehen zu müssen. Eine Katze, die stärker verunsichert oder schüchterner wäre, hätte vielleicht die Flucht ergriffen. Er wählt die dominantere Methode und legt einen Haufen dort hin.
Katzen setzen diese Vermeidungsstrategien ein, um Kämpfe mit Artgenossen zu vermeiden. Zu gefährlich sind die Waffen einer Katze, zu oft gehen Kämpfe mit anderen Katzen mit lebensgefährlichen Verletzungen einher. Ein wohl platziertes Häufchen oder eine Markierung mit Urin aus sicherer Distanz, ist da meist die bessere Wahl.
Nun könnte man sagen, dass auch der Fauxpas des Kleingärtners eine solche Vermeidungstatik war. Das ist im Großen und Ganzen richtig, nur kommt es diesem mehr auf die Reaktion seines Nachbarn an, die er sich bereits im Vorfeld ausmalt – mit allen Details und in Farbe.
Der Kater dagegen plant seine Handlung nicht im Voraus. Die Reaktionen seines Gegners kann er sich nicht ausmalen, da ihm die Vorstellung der Zukunft gänzlich fehlt. Ihm ist nur an der augenblicklichen Situation gelegen. Er will sich wieder sicher fühlen. Das erreicht er durch seine Handlung.
Ich hoffe, ich konnte anhand der Beispiele verdeutlichen, dass einer Katze so etwas wie Protest, wie man ihn normalerweise versteht, nicht möglich ist. Viele Verhaltensweisen einer Katze zielen darauf ab, im eigenen Lebensraum ein größtmögliches Maß an Sicherheit zu gewinnen. Aus dieser Perspektive heraus, fällt es vielleicht etwas leichter zu verstehen, dass Katzen keine pelzigen kleinen Menschen mit menschlichen Eigenschaften sind. Sie sind Katzen. Und sie haben ein Recht darauf so zu sein. Sie haben ein Recht darauf, so geliebt zu werden, wie sie sind.